Nicht in die eigene Falle gehen

Burnout: Ein hausgemachtes Problem

Burnout ist mehr und mehr in aller Munde. Auch wenn das Thema noch überwiegend Befremden und Verunsicherung auslöst, etabliert es sich zusehends. Immer öfter taucht der Begriff in beruflichen Kontexten auf und löst sich dabei stetig aus dem Bereich scheinbar „klassischer Burnout-Berufsfelder“ – solche mit hohem sozialen Engagement oder Lehrauftrag – und schlägt seinen Weg unaufhaltsam ein in die wirtschaftliche Leistungsgesellschaft. Verwundern kann uns das eigentlich nicht, fördert doch unsere Leistungskultur, …

… die dem Erreichten und dem Erreicher kaum Bedeutung schenkt und stets den hastenden Blick auf das noch nicht Erreichte richtet, ein Zusammenleben, in dem der oder die Einzelne einem Erfolgsgefühl stets hinterherläuft, ohne jemals nachhaltig die Ernte der Anstrengungen einfahren zu können.   

Die Sorge, wie mit Burnout umzugehen ist, betrifft dabei alle Beteiligten – ganz besonders allerdings den Betroffenen selber. Dies sicher nicht zuletzt deshalb in ganz besonderem Maße, da die Symptome ja genau das Gegenteil von dem erkennen lassen, was der oder die Betroffene demonstrieren will: Standfestigkeit, Stärke und Leistungsfähigkeit.

Wie stets bei der Popularisierung eines komplexen Sachverhalts zu erkennen ist, gibt es aber auch hier mittlerweile eine Ausdehnung des Begriffs über eine Vielzahl von Phänomenen und Symptomen. Es ist dann vielfach keine Erschöpfung oder Unzufriedenheit mit dem Job mehr, sondern ein „Burnout“. Ohne das Phänomen verharmlosen zu wollen, sollte bei der Indikation deshalb schon eine bestimmte seelische Konstellation vorliegen und die Diagnose – so pragmatisch diese auch erfolgen mag – sich konkret von dem Niveau einer Modererscheinung distanzieren. 

Hierfür braucht es deshalb neben der Identifikation konkreter somatischer, psychosomatischer und auch seelischer Symptome, sowohl eine Analyse langfristiger Verhaltenstendenzen und persönlicher Strategien, als auch die Prüfung des persönlichen Umgangs des Betroffenen mit sich selbst, seinen Gefühlen, Bedürfnissen und seines sozialen Bezugsfeldes. Allein an der Menge von Aufgaben zu leiden, die man aufgebürdet bekommt, hat zunächst nichts mit Burnout zu tun. 

Ein Erklärungsversuch ohne wissenschaftlichen Anspruch:

Tatsächlich ist das Phänomen tief in der persönlichen Beziehungsgestaltung verankert – sinngemäß:

Wie will ich vor ganz bestimmten Menschen in Erscheinung treten um diese oder jene Reaktion auszulösen? 

Das ist uns natürlich nicht bewusst, stellt es doch automatisierte Verhaltensstrategien aus frühester Kindheit dar. Überlebenswichtig ist für den Säugling und das Kleinstkind eine bestimmte Form von Zuwendung. Im täglichen Vollzug von Trial & Error lernt dieser kompetente kleine Mensch ruckzuck, was er tun muss, um die entsprechende Zuwendung (Essen, Trinken, Wärme, Gefühle, Unterhaltung, Ruhe) zu bekommen. Möglicherweise macht er dabei die Erfahrung, mit besonderer Anstrengung auch besonders viel Zuwendung zu erhalten und entwickelt sich damit ein Leistungsmotiv.

Ist nun dieses Leistungsmotiv mit einem bestimmten sozialen Bedürfnis gekoppelt, besteht hohe Burnout-Gefahr. Der/ Die Betroffene ist willens, hohes Engagement zu entwickeln mit der unbewussten Zielsetzung, eine – ebenfalls unbewusste – soziale Zuwendung dafür zu erhalten. Erfolgt die Zuwendung nicht – oder anders und damit „unsichtbar“, werden die Anstrengungen erhöht. Ein flexibles Umdenken kann nicht erfolgen, da weder Bedürfnis noch Strategie bewusst sind. Gleichzeitig werden innere Stimmen und emotionale Reaktionen ausgeblendet. Und auch wenn nichts mehr gefühlt wird: Irgendwann treten Erschöpfungszustände auf, die – obwohl bewusst ignoriert – den/ die Betroffene meist veranlassen, noch mehr Gas zu geben, um das Ziel mit letzter Kraft noch schnell zu erreichen … bis der Krug dann bricht. Natürlich nimmt die Umwelt diese Anspannung wahr und reagiert irgendwann befremdet, zieht sich zurück und bietet dem/ der Betroffenen genau das Gegenteil von dem, was unbewusst bezweckt wurde. Eine Teufelsspirale

Hilfe und Prophylaxe

…liegen in der geduldigen und liebevollen Auseinandersetzung mit dem Selbstbild, den eigenen Bedürfnissen und persönlichen Strategien sowie einer realistischen Einschätzung des jeweiligen Kontextes. Was brauche ich – woher kann ich es bekommen/ woher nicht – was kann ich dafür tun – woran erkenne ich den Erfolg? 

Ähnlich wie es der Säugling macht, braucht es wieder Offenheit und Sensibilität für eigene Empfindungen und Bedürfnisse, Wahrnehmung der Situation und Mut zum Ausprobieren. Gemeint ist eine integrative (extern + intern: was bietet die Situation und was macht das mit mir?) Auseinandersetzung mit der Situation wie sie sich aktuell stellt, statt des schematischen Handelns gemäß einer inzwischen überholten Strategie der Vergangenheit.

Kurz: Handeln, Denken, Fühlen und Wahrnehmen im Hier und Jetzt. 

Selbstverständlich ist dies kein Credo dafür, endlich mit dem „Leistungswahn“ aufzuhören. Im Gegenteil! Leistungsbereitschaft ist ja ein sehr wertvolles Motiv, das dem Einzelnen immer wieder zu Glücksgefühlen verhelfen kann. Schadhaft daran ist lediglich die dysfunktionale Koppellung mit einer sozialen Zielsetzung. Solange ich mein Ego nicht selber nähren kann, werde ich nämlich nie satt!

Das heißt, der/ die Betroffene muss lernen, sich selbst das „Du bist OK!“ zu geben. Erst wenn ich bereit bin, meinen Bewertungsmaßstab als maßgeblich zu akzeptieren und nicht mehr den externen Zuspruch „erzwingen“ zu wollen, komme ich aus meiner eigenen Falle heraus.