Erlebensorientiertes Training

Vor dem bewussten Verhalten ist der Geist trainiert!

Erst die Wahrnehmung eines Zustands bewegt uns zu Handlung. Keine Wahrnehmung: keine Handlung. Interpretieren wir nun den Zustand als  einen solchen, in dem wir irgendetwas tun müssen, entscheiden wir uns zu einer für uns angemessenen Aktion. 

Hieran wird deutlich, warum eine externe Defizitdiagnose kaum Lernmotivation bei uns auslöst – dies täte sie erst, wenn wir zu dem gleichen Schluss kämen. Für den gleichen Schluss bräuchten wir allerdings auch die gleichen für uns plausiblen Messkriterien usw. … Erschwerend kommt nun allerdings auch dazu, dass wir über eigene Defizite – zumindest die meisten von uns – meist nicht sonderlich glücklich sind. Ich bewundere immer wieder Menschen, die mit solchen Erkenntnissen ganz sachlich und konstruktiv umgehen können und gerne solche Erfahrungen machen, wenn nicht sogar suchen. Stark! Viele Menschen können das aber nicht so „genießen“ und neigen dazu, solche Erkenntnisse zu meiden oder ein Stückweit weg zu schieben. In beiden Fällen treten sie nicht in Kontakt mit dem möglichen Wissensgewinn. 

Deshalb hat sich immer wieder bewiesen, dass eine noch so konstruktive und begründbare Defizit-Rückmeldung als Ausgangspunkt oder Begründung von Trainingsmaßnahmen selten weiträumig Lernbereitschaft auslöst. Wie auch? Die individuelle Sinndeutung kann ja kaum erfolgen. Erstens sehe ich das durch meine Augen ja ganz anders (sonst hätte ich ja bereits etwas unternommen) – und zweitens wird mir ja meist auch noch das „richtige“ Verhalten „nahegelegt“ …

Halten wir fest – und das lässt sich sehr kurz fassen:

Auch wiederholtes Einüben von Sicht- und Verhaltensweisen außerhalb unserer eigenen Vorstellungen macht sprichwörtlich für uns wenig Sinn. Ein Standardtraining kann deshalb nur den erreichen, der die gleiche Denke hat. Für alle anderen ist es zu großen Teilen nicht konstruktiv verdaulich.

Lernen als Sinnfindungsprozess

Was zum Teufel hat Jonglage mit unserem Thema zu tun? Ein typischer Impuls in meinen Trainings. Allerdings erst nach der haptischen Erfahrung aller Teilgeber! Erst wird erlebt, was es braucht, was man tut, was man hinbekommt, was einem schwerfällt. Kurz: Erst wird erlebt und geschaut! 

Dann kommt die Reflexion. Natürlich tun sich viele Lernkunden schwer, vom Berufsalltag auf das „Spielchen“ umzuschalten. Das macht aber nichts. 😉 Die wesentlichen Erfahrungen und Erkenntnisse werden trotzdem gemacht. Wesentlich ist dabei allerdings nicht das, was am Ende auf dem Flipchart steht (oder vermeintlich stehen „sollte“), sondern der bewusste innere Reflexionsprozess – den das Schauen auslöst. Was ich dann zugerufen bekomme, ist sekundär. 

Wenn dieser Prozess erfolgt, ist der Boden für „Training“ aufbereitet. Dieses hebt sich aber substantiell deutlich von reinen Wiederholungselementen ab. Tatsächlich zeigt sich immer wieder, dass das uns so vertraute „Einschleifen“ – sofern es angeordnet und nicht selbst gewählt ist – kein Garant dafür ist, dass die Handlung im Alltag tatsächlich auch dauerhaft ausgeübt wird. Meist braucht nämlich nur eine Stresssituation aufzutauchen und der „Rückfall“ in alte Muster findet statt. Natürlich kann ein mehrfaches Ausprobieren und Experimentieren mit dem neuen Inhalt ein sinnvolles Trainingselement darstellen – allein ein Einschleifen kann es nicht oder wird es nur dann bewirken, wenn der Lernende genau dieses trainierte Verhalten als seine Lösung definiert.

Wenn also der Alltag darüber entscheidet, ob ein erlerntes Verhalten dauerhaften Bestand haben wird, kann ein Training außerhalb des Alltags dies kaum durchsetzen. Insofern stellt es eine logische Konsequenz dar, die Trainingssequenz in den Alltag zu verlegen und in der Lernsituation dem Lernenden einen sinnstiftenden Erkenntnisprozess zu ermöglichen, der ihn motiviert, eben im Alltag Neues anzuwenden. Dieses „Neue“ sollte er selber aus seinem Erkenntnisprozess abgeleitet haben, für den ein thematischer Rahmen weiträumig als Impulsgeber angeboten wird – beispielsweise wenn es darum geht, in Beratungen mehr Bedarfsorientierung umzusetzen: „Wie würdest Du das machen?“.

Anstatt die Handlungsqualität mittels Wiederholung zu trainieren, kommt es in diesen Trainingskonzepten auf die Qualität des Erkenntnisprozesses an, der durch freies Erleben und wiederholtes Reflektieren gefördert wird. Insofern liegt der Fokus eines solchen Vorgehens eher darauf dem Einzelnen im Themenfeld seinen ureigenen Erkenntnis- und Sinnfindungsprozeß zu ermöglichen, anstatt ihm vorgeformte Umsetzungsmuster aufzudrängen.

Zusammenfassung

In Schritt 1 geht es darum, die Wahrnehmung zu aktivieren. Das umfasst vor allem die körperliche Erfahrung, die den Zugang, die Bereitschaft für Lernerkenntnisse eröffnet. Dadurch wird für die anschließende Reflexion eine Erfahrungsbasis gelegt. Es entstehen Bezugspunkte einer entstehenden Lernlandkarte und der Trainee erlebt auch sich selbst als handelnden und reflektierenden Menschen.

In Schritt 2 geht es darum die Teilgeber zu eigenständiger Ausformung und Inhaltsentwicklung im offenen Lösungsrahmen zu aktivieren. Mit der gewonnenen Wahrnehmung und der daraus folgenden Problemsensibilität können sich individuelle Bilder und Lösungsansätze entwickeln, die aus der persönlichen Ressource – Vorstellungskraft – des Trainee stammen. Diese sind ein Teil von ihm und vermitteln ihm somit Sinn und stellen deshalb auch Handlungsimpulse dar.

In Schritt 3 erfolgt das, was nach jeder Lernmaßnahme stattfinden sollte: Die Umsetzung im Alltag. Gerüstet mit einer viel individuelleren gedanklichen Basis, kann sich der Lernende in seinem Tempo sein Selbstlernkonzept erschließen. Unterschiede zu herkömmlichen Wiederholungstrainings liegen darin, dass

  • der Lernende gesamtheitlich in das Thema eintauchen und sich dadurch eine umfassendes Verständnis erwerben konnte
  • der Lernende ein ressourcenorientiertes Selbstlernkonzept entwickeln konnte
  • der Lernende Motivation auf Basis seiner individuellen Sinnfindung und -deutung hat      

Bezug nehmend auf die oben erwähnten Rahmenfaktoren zeigt es sich natürlich als ideal, wenn dieser Prozess flankierend von der Führungskraft begleitet wird.