Miteinander Reden!

Trainingskonzept für Beratungsprofis

Ich zitiere hier voller Respekt den Titel von Friedemann Schulz von Thuns Werk. Es ist nicht unerheblich sein Verdienst, dass wir heute ein so klares Verständnis von der menschlichen Kommunikation haben und uns vieler ihrer Mechanismen bewusst sind.

Weniger auf wissenschaftlichen Grundlagen als mehr auf dem Aspekt der Bewusstheit basieren denn auch meine Überlegungen, die ich aus Beobachtungen und Erfahrungen in der Arbeit mit Vertrieblern, Beratern, Führungskräften und nicht zuletzt durch mein eigenes Wirken als Verkäufer von Ideen entwickeln konnte.  Dabei identifiziere ich die Güte der Kommunikation darin, wie sehr es zu einem „Miteinander“ kommt. Wie sich dies entwickelt, soll Inhalt des Folgenden sein.

Verkaufen per „Schloss-Schlüssel-Prinzip“

„Ich denke – Sie brauchen!“ Die Rollenaufteilung im Verkaufsprozess ist damit eindeutig geregelt!

Auch wenn heute kaum noch ein verkaufender Berater dies so offenkundig praktiziert oder sogar zugeben mag, vielfach läuft es noch immer darauf hinaus. Der Kunde wird irgendwann entmündigt – der Berater weiß es ja eh am besten!

Was aus der Beratersicht sicher nicht ganz von der Hand zu weisen ist – es trifft aus seiner Sicht der Dinge ja so zu – muss aber für den Kunden noch lange nicht stimmen. Auch hier gilt, dass der Kunde seine Welt am besten versteht und auch am besten einschätzen kann, ob eine Lösung/ ein Produkt für ihn wirklich gut ist.

Diese Kenntnis kann der Kunde allerdings nicht immer nutzen. Manche Aspekte seiner Situation sind ihm nicht bewusst, manche schätzt er nicht genau genug ein und bei manchen Faktoren kann er deren Reichweite mitunter nicht voll erkennen.

Wenn der Kunde also auch der beste Informant für seine Welt ist, braucht er den Berater dafür, die Ableitungen und Schlussfolgerungen zu finden und dies dann mit entsprechenden Stellhebeln – sprich: Lösungen/ Produkten – in Bezug zu setzen.  Dies hat in den wenigsten Fällen mit Logik zu tun! Vielfach braucht es den emotionalen Zugang zu einer Lösungsstrategie.

Und genau dies stellt den beratenden Verkäufer vor dessen Herausforderung!

Wie gewinnt man den emotionalen Zugang zum Kunden?

Abgesehen von einer beziehungsförderlichen Einstiegsphase, die die aktuelle Situation des Menschen würdigt und von angemessenen Höflichkeitsstandards begleitet wird, bedarf es dabei einem hohen Maß kommunikativer Fertigkeiten. Nur zu oft werden diese jedoch zugunsten einer stetig weiterentwickelten Fachexpertise vernachlässigt.

Doch tatsächlich kauft der Kunde ja nicht mit dem Kopf, sondern viel mehr mit dem Herzen! Und wenn dem so ist, was braucht ein Verkäufer, um genau auf der Ebene mit dem Menschen in lebendigen Kontakt zu treten?

Überlegen wir uns doch einmal, was uns einen zwischenmenschlichen Kontakt angenehm macht:

  • man hört mir zu
  • man geht auf mich ein
  • man fragt nach und will verstehen, wie ich es sehe/ fühle/ einschätze
  • ich spüre, wie im Anderen eine wachsende Vorstellung von mir und meiner Situation entsteht
  • ich spüre, dass mein Leben für den Anderen interessant ist (das wertet mich auf und schmeichelt meiner Seele)
  • ich spüre, dass ICH interessant bin und der andere die Zeit mit mir genießt
  • ich erkenne im Handeln des Anderen anhaltendes Engagement für mich
  • ich spüre, dass der Andere ein Teil von meinem Leben sein will
  • ich spüre, dass der Andere mich und mein Leben als schützenswertes Gut empfindet
  • ich verstehe die Äußerungen meines Gegenüber
  • ich kann die Rückmeldungen meines Gegenüber in meine Wirklichkeit integrieren (passen zu mir/ gehen nicht an mir vorbei)
  • ich kann vertrauen
  • ich spüre Sympathie für den Anderen

 … so in etwa … 😉

Fassen wir mal pragmatisch zusammen:

  1. es wird auf mich eingegangen
  2. ich werde wertgeschätzt
  3. ich werde verstanden
  4. ich verstehe den anderen

Ich gehe mal davon aus, wenn die Interaktion des Beraters mit dem Kunden diese 4 Faktoren ausreichend berücksichtigt, entsteht zwangsläufig eine produktive Situation und eine stabile Beziehung. Gleichwohl – so überschaubar, wie das jetzt aussehen mag – so einfach ist es nicht! 🙂 Rein mechanisch lässt sich das nämlich nicht herstellen. Mit der Frage nach dem aktuellen Befinden oder dem Lob für den letzten Abschluss ist es nämlich nicht getan.

WIRK-liche Kommunikation kommt nämlich aus der Tiefe der Seele. Und das ist es auch, wonach der Kunde in seinem Bedürfnis nach Sicherheit und Vertrauen die Beratungssituation ständig scanned! Lächelt nämlich der Mund, nicht aber die Augen, wird dies – wenn auch meist unbewusst – genauso registriert, wie ein Übermaß an unverständlichen Fachtermini, die eher distanzieren als denn emotional anregen.

Es wird vielleicht hier schon deutlich, dass es bei einer beziehungsförderlichen Kommunikation auf ein ganzheitliches Auftreten ankommt, welches jedem kommunikativen Signal auch die entsprechende Antwort bietet. Hier ist es sicher nicht wichtig, mit dem „richtigen“ Mittel zu antworten, sondern überhaupt das Signal zu erkennen und zu reagieren. Gleichzeitig kann das gesamte kommunikative Repertoire auch initiativ eingesetzt werden um seinerseits den Anderen einzubinden. Ein stetes Fließen …

Um eine solche hochwertige Kommunikation anbieten zu können, braucht es die Ausbildung bestimmter Schlüsselqualifikationen – zu denen uns unsere bepelzten Kollegen ausgezeichnete Impulse liefern können! 🙂

A) Bewusstheit der Mechanismen

1. Auf der ersten Ebene stelle ich erstmal die Basis dafür her, den Anderen überhaupt erreichen zu können: Die Herzebene 

Auf dieser Ebene mache ich mir selbst bewusst, wie ich interagieren will, was mir gut tut und wie ich mit dem Anderen zusammenkommen will. Welchen Stellenwert hat der Andere mit seinen Bedürfnissen bei mir? Wie wichtig ist es mir, dass es ihm gut geht und er noch im Nachinein unseren Kontakt als angenehm (nach-) erlebt? Nur dann, wenn ich den tiefen Wunsch habe, als Mensch bei ihm in bleibender Erinnerung zu bleiben, wird er dies bei sich emotional verankern und es damit koppeln, dass er bei mir sicher ist!

2. Die zweite Ebene ist die Mimikebene 

Als einzigem Lebewesen auf diesem Planeten stehen uns mehr als 20 Muskeln im Gesicht für einen mimischen Ausdruck zur Verfügung. Wäre das nicht so wichtig für uns, hätten wir die sicher nicht! 😉

Ganz unwissenschaftlich könnte man die Mimik als Wahrheitsdetektor bezeichnen. Von uns meist unbemerkt checken wir in Gesprächen stets den Wahrheitsgehalt der Worte mittels Prüfblick in das Antlitz unseres Gegenübers. Ergibt sich hier in irgendeiner Form eine Diskrepanz, gehen wir auf Distanz. Wohlgemerkt: dieser Prüfblick ist meist unbewusst und somit nicht rational-analytisch! Ergo entscheidet das Gefühl über Vertrauen oder Misstrauen! Vielen ist ja auch bekannt, dass Kommunikation zu 2/3 nonverbal und lediglich zu 1/3 sprachlich stattfindet.

Sofern wir also der eigenen Mimik keine Beachtung schenken, fehlt unserem Gegenüber ständig das emotionale Feedback, uns vertrauen zu können. Da können wir noch so gut logisch argumentieren …

Aber Achtung! Das soll keine Aufforderung sein, mal einfach öfter zu grinsen! Steht nicht das bewusste und ehrliche Gefühl hinter der Mimik, wird dies nur zu schnell entlarvt und zum Boomerang! Um Gefühle wirkungsvoll vorspielen zu können, bedarf es in der Regel einer professionellen Ausbildung – was dann zwangsläufig zu einem anderen Berufsweg führen sollte …    

3. Nun kommt endlich die Sprachebene ins Spiel

Das „Sprachebene“ nicht nur aus „Sprechen“ besteht, ist dem erfahrenen Berater und Verkäufer ja schon klar, seit er das erste Mal von der „40-60-Regel“ gehört hat. Klar – es geht zu 60% um das Zuhören! 😉

Effektives Sprechen kann erst dann gelingen, wenn es sich um bezogenes Sprechen handelt. Bezogenheit drückt sich darin aus, dass es mir als Kommunikator gelingt, auf die Äußerungen (verbal und nonverbal) zu reagieren. Deutlich zu machen, dass ich die Signale wahrgenommen habe und auf meinen Gegenüber in dessen Bedürfnissen eingehe. Die Wahrung meiner eigenen Bedürfnisse im Gespräch – beispielsweise meine Verkaufsintention – stellt dann keine Bedrohung der Beziehung dar, wenn ich es schaffe, abzuwarten und dem Anderen (vorher) genug Platz zu geben oder aus der Information des Kunden nutzbare Signale herauszulesen. Für beides brauche ich Geduld!

Letztlich gehört zur Sprachebene auch die Kunst „eine gemeinsame Sprache“ zu sprechen. Man gewinnt den Anderen nicht generell dadurch, dass man man tolles Fachvokabular nutzt oder mit weitreichenden Details glaubt zu punkten. Tatsächlich ist Sprache immer auf der analytisch-rationalen Ebene angesiedelt. Das ist nicht die der Beziehungsbildung! Überzeugen kann ich als Mensch immer nur dann, wenn ich annähernd das Sprachniveau des Gegenüber treffe.

Meiner eigenen Meinung nach wird Sprache sowieso deutlich überschätzt! Es hieß ja schon immer: „… an den Taten werdet Ihr sie erkennen …!“ 😉

4. Jetzt fehlt nur noch die „Gestikebene“

Hierunter fallen alle bewussten händischen Zeichen, als auch der gesamte körperliche Ausdruck – den ich hier mal vom mimischen Ausdruck differenziere.

Ich will Gesten mal als „Turbo“ bezeichnen. Nun soll das nicht auf wildes Herumfuchteln hinweisen, sondern auf den ruhigen Einsatz vor allem der Hände als Verstärker oder Verdeutlicher einer Botschaft. Gemeint sind jetzt aber nicht ausgeklügelte körperliche Verrenkungen oder auswendig zu lernende Figuren. Statt dessen geht es um klare, einfache und selbstverständliche Signale, die automatisch aus uns kommen, sobald wir uns nur der Körperlichkeit der menschlichen Kommunikation bewusst werden. Hier bieten unsere Gesten vielfach Unterstützung des Beziehungsaufbaus, indem sie Geben oder Annehmen signalisieren, Auffordern oder Bremsen beinhalten oder auch Ablehung bis Offenheit verdeutlichen. 

B) Wahrnehmung des Gesprächspartners

Der Einsatz kommunikativer Mittel ist ein hochsensibler Vorgang. Es lässt sich damit nicht hantieren und stellt keinen Trick dar, seine Interessen gegen Widerstand durchzusetzen. Manipulative Fertigkeiten haben nur sehr wenige Menschen und ob darin dann der Erfolg liegt, mag jeder selbst beurteilen.

Worüber ich hier aber spreche ist ein Zugang zu Einfühlung und situativer Kompetenz, zwischenmenschliche Dynamiken konstruktiv zu gestalten. Durch das Erkennen und Erleben kommunikativer Mechanismen an sich selber wächst die sensible Wahrnehmung des Gesprächspartners. Es entsteht ein Erkennen, welches Signal er braucht: Ein Lächeln, eine Geste oder ein Wort. Erst wenn das kommunikative Signal zur rechten Zeit auf ein Verstehen des Adressaten trifft, kann es wirken!

C) Entwicklung der eigenen Formsprache

Kommunikation ist bei aller Universalität ein ganz individueller Ausdruck der eigenen Persönlichkeit. Die Vorlieben in der Wortwahl und Betonung stehen dabei neben der typischen und einzigartigen Körperlichkeit des Kommunikators. Die universelle Verständlichkeit hängt dabei weniger von der Wortwahl ab, denn von der Vollständigkeit der Botschaft – sprachlich, mimisch und gestisch. Denn auch wenn die Worte keinen Eingangskanal treffen, kann die innere Haltung – ausgedrückt per Mimik und Grestik – dem Gesprächspartner das Andocken ermöglichen.

Es geht also darum, sich seiner kommunikativen Instrumente bewusst zu werden und zu lernen, es in seinen „Worten“ zu sagen!

Was insofern im Allgemeinen gilt, hat im Speziellen in der Beratungs- und Vertriebssituation seine Bewdeutung. Hier beinhaltet der persönliche Entwicklungsschritt die Anpassung der persönlichen Kommunikationselemente an den beruflichen Kontext. Dies bezieht sich zum Einen auf den inhaltlichen Hintergrund (z.B. Finanzdienstleistungen) und zum Anderen auf die speziellen Bedürfnisse, Gefühle und Gedanken des Kunden innerhalb einer Beratungssituation. 

Auch wenn diese Überlegungen keinen ofiziellen Anspruch haben und somit weder experimentell abgesichert noch vollständig sind, stellen sie aus meiner Sicht eine brauchbare Arbeitsgrundlage dar, sich bewusst in das Thema hineinzutasten.

Unsere haarigen Kollegen können wir beispielsweise nur erreichen, wenn wir bewusst nach deren Eingangskanälen Ausschau halten, ihnen mit Geduld und Zuneigung entgegentreten, ihre „Verständnisprobleme“ schnell erfassen und in unserer „Sprache“ ganz klar erkennbar und konsequent Hilfen geben.