Neu als Chef

Die ersten hundert Tage …

… hören genau genommen nie auf!

Mit dieser Grundeinstellung bin ich mit meinem Klienten ins Coaching gegangen. Klar war von vornherein, dass das Coaching sich inhaltlich auf Führungsmethode und Selbstorganisation konzentrieren wird – weniger auf persönliche  Themen.

Coachingansatz

Folgende Fragestellungen galt es zu thematisieren:

  • Welche persönliche Präsenz braucht die Führungskraft, um als solche wahrgenommen zu werden? 
  • Wie gelingt es, den Mitarbeitern soviel Kontaktfläche zu bieten, dass sie andocken können bzw. Führung bei allen spürbar ankommt? 
  • Wie kann sich die FK bei ca. 300 Mitarbeitern so organisieren, dass eine wirksame Steuerung besteht?

Schritt 1: Das persönliche Auftreten – die Präsenz als Führungskraft

Auch wenn mein Coachee mir seine Ergebnisse aus Potenzialreflexion und Assessment-Center zur Verfügung stellen wollte – mir ging es eher darum, dass er ein Gefühl (nicht sein Coach) dafür bekommt, wie er wirkt und was er für seinen Auftritt tun könnte.

Es erschien logisch zu überlegen, was von den Mitarbeitern bewusst oder unbewusst erwartet würde, um Vertrauen aufzubauen. „Der Neue“ musste dazu von allen wahrnehmbar sein. Er sollte klar sein und genau wissen, was er will – usw. Wann wird die eigene Klarheit spürbar? Wodurch wird man wahrnehmbar? Was muss man für einen spürbaren Willen tun?

Antworten auf diese Fragen suchten wir wieder einmal im Reitstall – oder besser im Roundpen. 😉

Mit dem Pferd die persönliche Präsenz testen

Unter uns Menschen ist es vielfach nicht allein die Präsenz, die jemanden situativ überzeugend erscheinen lässt. Hier kommen verschiedenste Faktoren der sozialen Angepasstheit oder irgendwelcher Abhängigkeiten der Beteiligten zur Wirkung. Dies ist Pferden völlig fremd! Pferde leben – abgesehen von ihrem Lebenserhaltungstrieb – absolut intentionslos nur im Hier und Jetzt! Sicherlich ein Zustand, um den wir sie mitunter beneiden können …

Pferde sind zwar vom tiefsten Kern her Gefolgsmänner, gleichwohl gehört Höflichkeit nicht zu ihrem Verhaltensrepertoire! Sie sind eher wählerisch:  Tritt dem Pferd ein Mensch ohne Kraft entgegen, wird er nach kurzem Scan als unbedenklich eingestuft und kaum mehr wahrgenommen.

Im Rahmen einfacher Dominanzübungen in der Bodenarbeit mit dem Pferd wurden jetzt Unterschiede im körperlichen Ausdruck und innerer Konzentriertheit herausgearbeitet. Das eigene Erleben, was den Unterschied ausmacht, ließ eine Vorstellung davon entstehen, wie inneres und äußeres Erscheinungsbild zusammenhängen – und welche Wirkung wann eintritt.

Der Transfer, das Erlebte mit dem Alltag in Bezug zu setzen und persönliche Rückschlüsse auf die eigenen Erfolgsfaktoren zu ziehen, ist damit im Grunde schon erfolgt – auch wenn es dem Coachee eventuell noch nicht bewusst ist. Die Nacharbeit und Reflexion im Coachingdialog stellt lediglich Futter für das Großhirn dar. Die tieferen Steuereinheiten haben den „Brocken“ dann schon längst verdaut. Das entstandene Bewusstsein für die erforderliche Führungsqualität in puncto Zielklarheit, Kommunikation der Richtung sowie Konsequenz in der Umsetzung löst automatisch Motivation zur Konkretisierung und mitunter auch Konzeption aus.

Selbstverständlich ist eine Grundvoraussetzung schon der persönliche Auftritt. Inzwischen war deutlich geworden, dass allein der methodische Antritt nicht reichen würde. Wahrnehmbarkeit würde mehr benötigen! Und auch wenn wir Menschen da überwiegend domestiziert sind und unsere Sinne nicht mehr fein oder bewusst auf Energie ansprechen, nehmen wir doch schon Unterschiede wahr. Weil wir’s nicht mehr besser wissen, wird dann oftmals von irgendwelchem „Charisma“ oder dergleichen gesprochen. Stimmt ja auch, aber was ist Ursache und was ist Wirkung?

Nun, fernöstliche Techniken der inneren Versenkung beweisen, dass eine solche  Präsenz im Auftritt meist Ergebnis innerer Zustände ist. Sozusagen  im Sinne einer „light-Version“ versuchen wir uns zu sammeln, indem wir ein klares Bild von uns, unserer Rolle, unserer Aufgabe und unseren Zielen generieren. Ebenfalls von uns nahezu verlernt, ergänzen wir diese gedankliche Klarheit mit einem persönlich passenden Gefühl – mitunter einem aus dem Roundpen.  😉

Damit war klar, wie ein kraftvolles Auftreten zu unterstützen sein würde.

Schritt 2: Die Mitarbeiter abholen und mitnehmen 

Noch bewusster als vorher war haften geblieben, dass die Klarheit im Vorgehen maßgeblich die Wirkung bestimmt. Erfolg ist die Folge von Vorherigem. Dies bezieht Aktionen, Wirkungsanalyse und Reaktionen ein. Das bedeutet, dass eine  Planung immer nur so gut ist, wie sie sich flexibel an die Situationen im Prozess anpassen kann. Deshalb sollte bei einer guten Planung stets auch die Wirkzeit einzelner Schritte und die Beobachtung der Entwicklung inbegriffen sein.

Management – Aktivitätenplanung

Neben einer generellen Zeit-/ Ressourcen- und Aktivitätenplanung standen zwei elementare, gesetzte Aktionen an:

  • Personalversammlung
  • Führungskräfteworkshop

Während die erste Veranstaltung die Bühne für den persönlichen Auf- und Antritt sein sollte, hatte der Workshop die Zielsetzung, die Führungskräfte ins Boot zu bekommen. Sie sind die Hebel und Multiplikatoren und maßgeblich für den umfassenden Erfolg.

Generell standen weitere fixe Termine an. Deren Planung sollte damit beginnen, was die jeweilige Zielsetzung beinhalten sollte. Schnell zeigte sich, dass die vollständige Basis – also das gesamte Konzept aus Führung, Kommunikation und Steuerung – konkretisiert sein wollte, um die Veranstaltungen wirkungsvoll zu gestalten.

Natürlich sollten die zukünftigen Mitarbeiter und Führungskräfte ihre Erfahrung und Wissen einbringen können, gleichwohl sollte ihnen eine stabile Leitplanke angeboten werden, die Ruhe in den Veränderungsprozess bringen sollte, den ein neuer Chef immer auslöst. Abgesehen davon war die Erkenntnis, von einem Ansatz ausgehend, alle Veranstaltungen gleichermaßen planen zu können, auch für den Coachingprozess ausgesprochen beruhigend! 😉

Schritt 3: Führungssystematik

Ist die persönliche Präsenz gegeben und Aufmerksamkeit sowie Korporation der Mitarbeiter besteht, braucht es ein methodisches Netz aus Input und Steuerung. Dies bedeutet aus der Sicht guten Transfermanagements stets, dass das Ergebnis einer Prozesskette immer nur so gut sein kann, wie der Anstoß am Prozessanfang wirkt. In anderen Worten: Liefert der Mitarbeiter unbefriedigende Ergebnisse ab, hat es irgendwo in der Kette der Führung einen Strömungsabriss gegeben …

Die kleinste Wirk-Einheit für nachhaltige Führungsarbeit stellt der Umsetzungskreislauf im „ARB-Schema“ dar: Auftrag – Reporting – Bewertung. In vielen Unternehmen krankt die Umsetzung daran, dass eines dieser drei Elemente vernachlässigt wird. Meist wird das Reporting übersprungen – oftmals viele Male – bis der Führungskraft der Kragen platzt und er eine entsprechend intensive „Bewertung“ vornimmt.

Nun ja, auf Reportings zu bestehen kann schon lästig sein – kostet Zeit und vor allem die Selbstverpflichtung, konkret, klar, sortiert und verantwortlich zu sein. Das Ganze läuft natürlich in Kombination mit einer terminlichen Festlegung … (siehe hierzu nochmal das  Thema „Selbstführung“).

Die Grundlage entwickelte sich bereits bei der Aufrasterung der Aktionen der ersten 100 Tage. Hier entstand schon die Rohform der Führungssystematik. Gemeint ist mit Letzterem das Zusammenspiel von konkreten und systematisch – also generell und zielorientiert – eingesetzten Aktivitäten der Führungskraft:

  1. Auftrag/ Führungsimpuls (Anweisung, Coachingimpuls, …)
  2. Reporting/ Analyse (auch Beobachtung, Dokumentation, …)
  3. Bewertung/ Messung

 Während in einem solchen System die Führungskraft die Aufgabe hat, dafür zu sorgen, dass der Mitarbeiter seine Aufgaben erledigt und die entsprechenden Ergebnisse erreicht, hat der Chef dafür zu sorgen, dass die Führungskraft diesen Job erledigt/ erledigen kann. Wenn sich eine Führungskraft – egal auf welcher Ebene – nicht darauf einlassen will, irgendetwas dem Zufall zu überlassen und auch nicht gewillt ist, Kraft und Zeit damit zu verschleudern, einer Sache mehrmals hinterher zu laufen, bietet es sich an, nach der Beauftragung in entsprechend definiertem Zeitrahmen eben drauf zu schauen, um anschließend einzuschätzen, ob’s läuft oder nicht (und nicht erst zu reagieren, wenn es schief gegangen ist). Daraus ergibt sich dann die nächste Entscheidung, welchen Führungsimpuls es dann braucht.

Das „Systematische“ daran ist einfach die lückenlose Folge aufeinander logisch aufbauender Schritte durch den Prozess der Aufgabenerledigung – statt vielfach auftretender ad-hoc-Führung.

Gleichermaßen ist in eine solche Führungssystematik

  • Kommunikation als Element der Führungsmethode (Mitarbeitergespräche, Your fixe, Teambesprechungen, …) inbegriffen,
  • ein Steuerungssystem, dass sowohl quantitative Endgrößen (Umsatzzahlen), als auch qualitative Steuergrößen (Aktivitäten, Handlungsqualitäten) sowie eine Lern-/Entwicklungsdoku umfassen kann,
  • sowie ein Repertoire von Interventionen und Führungsroutinen (ToJ, Coaching, Training, Schulung, …), die der Führungskraft  mitarbeiter-entwickelnd zur Verfügung stehen.

Hierfür eventuell einen Satz ressourcenorientierter Formate (Doku; Checklisten; Auftrag; …) zu entwerfen, sollte später noch beleuchtet werden.