Führungsgrundlagen

Sollen sich die Dinge ändern?

Wenn wir uns heute in Unternehmen über Führung unterhalten, stell ich gerne die Frage, „wozu?“

„Wozu wollen Sie in Ihrem Unternehmen/ Unternehmenszweig (mehr/ andere/ …) Führung haben?“

Erst wenn mein Gesprächspartner mit einer Fragestellung konfrontiert wird, die ihm nicht vertraut ist, kann er aus einer distanzierten/ objektivierten Perspektive das Problem reflektieren. Nur zu schnell wird der Ruf nach dieser oder jener Lösung laut, weil es gerade en vogue ist. Insofern ist der erste Antritt erstmal der, zu prüfen, welche Problemstellung wirklich besteht – und nicht, welche der Klient glaubt erkannt zu haben. Das heißt natürlich nicht, daß der Klient nicht weiß, wovon er spricht, sondern dient dem tieferen Eindringen in das Aufgabenfeld. Hierdurch lassen sich 2 wesentliche Erfolgsfaktoren bereits in der Einstiegsphase – für den Klienten bewußt erlebbar (!) – hervorheben:

  1. Detailanalyse – gibt schon erste Hinweise, in welche Richtung/ mit welchen Inhalten der Klient sich auseinandersetzen sollte
  2. Ressourcen – die für die gewünschten Ergebnisse erforderlich sein werden

Sehr häufig erlebe ich es, daß der Wunsch nach Führungskräfteentwicklung eng verbunden ist mit der Vision, wie dann der Mitarbeiter handelt, wenn die Führung verbessert wurde. Selbstverständlich ist die Erkenntnis, daß über diesen Weg die gewünschten Ziele zu erreichen sind völlig richtig – nach meiner Erfahrung DER EINZIGE Weg! Tatsächlich könnte eine hohe Prozentzahl von Trainingsmaßnahmen – mit einem Kostenumfang vieler Hundertausend Euro pro Jahr – einfach ersatzlos gestrichen werden. Ohne die Etablierung von Führungsstrukturen, die solche Maßnahmen flankieren (Bedarfsanalyse, Vorbereitung, Nachbereitung, Umsetzungssteuerung), ist das wie Heizen am offenen Fenster! Gleichwohl geht es ja nicht darum, indirekt am Mitarbeiter zu arbeiten, sondern um Verhaltensqualitäten der Führungskräfte (worauf die Blickrichtung auch tunlichst zurückgeführt werden sollte …).  

Entsteht oder konkretisiert sich also nun ein Gespür dafür, was der Wunsch nach mehr Führung mit sich bringt, stelle ich die Frage nach der „Veränderungsbereitschaft“.  

„Was wollen Sie an Ihrem Tun/ Tagesablauf/ verändern?“

Meist tritt hier sehr schnell der Nadelöhreffekt ein. Schnell wird nämlich bewußt, daß die gewünschten Effekte – wohlgemerkt, meist die beim Mitarbeiter – nur durch persönliches (körperliches) Engagement herbeizuführen sind. In einfachen Worten gesagt: Führung funktioniert nicht per Remote-Control!  Gewünscht wird zwar, daß sich an der Ergebnisqualität etwas verändert – dies aber am liebsten durch quantitative  Lösungen, die am besten nach der einmaligen  Einrichtung für alle Mitarbeiter dauerhaft wirken …

Kommen wir zum Nadelöhr zurück. Womit ist die Führungskraft nun konfrontiert? Nun, auf der einen Seite sieht er, daß er aktuell schon einen übervollen Arbeitstag hat und der Erledigung des Berges an Aufgaben so schon ständig hinterherrennt. Allein das „Niemals-fertig-werden“ stellt schon eine hohe Belastung dar. Viele Menschen tun sich sehr schwer eine Aufgabe auf den nächsten Tag zu verschieben, bzw. eine halbe Aufgabe liegen zu lassen. Nun kommt auch noch der Berater/ Coach/ Trainer dazu und läßt erkennen, daß noch ein weiterer Riesenpacken Aufgaben vor der Tür steht …

Und das ist wirklich eine Herausforderung!

Leider ist das mit wirksamer Führung ähnlich wie mit einer Schwangerschaft … 😉 Insofern braucht es eine klare und konsequente Entscheidung: Was will ich? Will ich Vorgesetzter sein oder Führungskraft? Will ich Veränderung oder lieber doch nicht (weil die nämlich zuallererst bei mir selber anfängt)?

Vielleicht fragen Sie sich einmal was Sie glauben, warum viele Projekte zur Entwicklung der Führungsqualität ganz enthusiastisch anfangen und dann nach und nach versanden?

Das Problem ist, daß Führung ein ganz anderer Job ist, als das Handeln aus der Fachexpertise heraus. Man ist noch lange kein guter Lenker, wenn man als Fachmann klasse ist! Meist ist sogar das Gegenteil der Fall! Auf meine häufig gestellte Frage, „warum Sie eigentlich Führungskraft sein wollen?“, gehe ich jetzt mal nicht ein …

Und da es ein ganz anderer Job ist, muß sich die Führungskraft eben auch ganz anders organisieren! Das heißt, Dinge nicht tun, die man bisher als Experte täglich getan hat, Dinge anders tun als bisher regelmäßig und Dinge systematisch tun, die man bisher garnicht getan hat.

Das fordert in erster Linie ein gerüttelt Maß an SELBSTFÜHRUNG! Womit wir an der Grundvoraussetzung von Führungsqualität angekommen sind. Natürlich kommt sogar noch erschwerend hinzu, daß meist die Unternehmensleitung auch noch zu diktieren scheint, welche Aufgaben erledigt werden müssen – bevor oder neben oder wasweißich der Führungsaufgabe. Tatsächlich wünschen sich Chefs meist ein Funktionieren des Ladens (was ja erst mit regelrechter Führung vonstatten geht) bei gleichzeitigert 120-prozentiger Aufgabenerledigung durch die Führungskraft. So stellt es sich meist für die Führungskraft dar.

Komme ich deshalb also zur Selbstführung zurück. Seltsamerweise habe ich noch keine Führungskraft erlebt, die wegen dieses Widerspruchs je meinen Impuls umgesetzt hat und den Chef konkret gefragt hat, welche Aufgaben sie denn dann zugunsten der geforderten Führungsaktivitäten weglassen/ verteilen solle. Ich habe auch noch keine dieser Führungskräfte erlebt, die eine konkrete Ressourcenkalkulation gemacht hat. Ich habe allerdings schon (sehr wenige) Führungskräfte erlebt, die anfingen zu entscheiden, auf dem Weg in ihre Kraft kamen, so einen ganz neuen Job kennenlernten und damit einen Erfolg hatten, der jede Diskussion gegenstandslos machte …